27.10.2018

Viele kleine Leute ändern das Gesicht der Welt

Von Silke Dohrmann
aktualisiert am 03.11.2022
Seit ich weiss, dass ich Allergien habe, halte ich mich an die entsprechende Diät und bin dankbar, dass mein Umfeld mit darauf achtet. Wenn eine Störung da ist, müssen wir nach den Ursachen forschen und etwas verändern.In diesem Sommer spüren wir die massive Störung des Klimas. In unserer Region haben die Bauern Glück, nur wenig Ernteausfälle zu haben. Ein befreundeter norddeutscher Landwirt weinte im August über den ersten Regen seit Mai. Woher soll das Futter für die Tiere kommen?Ich habe zwei Enkeltöchter – mit der Lebenserwartung bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Ich erschrak bis ins Mark, als der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber in einer Fernsehdiskussion sagte: «Wir spüren jetzt die Erhöhung des Klimas um 1 Grad Celsius. Wir Forscher erwarten bis zum Ende des Jahrhunderts eine Erderwärmung um bis zu 4 Grad!»Der CO2-Ausstoss durch den Flugverkehr, durch den hohen Fleischkonsum usw. ist die Ursache. Noch spüren wir die Auswirkungen hier noch nicht so wie es die Eisbären in der Arktis bereits heute am eigenen Leib erfahren. Dabei wissen wir seit den Siebzigerjahren um die Gefahr für alles Leben auf der Erde. Mahner war damals der «Club of Rome». Was wäre gewesen, wenn Wirtschaft und Politik in den Industrienationen damals schon zusammengespannt hätten, um konstruktiv und fantasievoll mit dem Problem der Ausbeutung der Erde umzugehen?Viele Impulse wurden ernst genommen, zum Beispiel von Greenpeace, aber auch von den Kirchen. Dort gab es die Bewegung: Frieden – Gerechtigkeit – Bewahrung der Schöpfung. Durch die Mitarbeit der Kirchen fiel die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland.Und jetzt? Was muss ge­schehen, bevor wir – ob Christen, Muslime, Juden oder Hindus oder andere Weltanschauungen – das Leben an erste Stelle setzen? Wann fordern wir es ein von der Politik, deren Aufgabe es ist, gesetzgebend und regulierend tätig zu sein für das friedliche Zusammenleben aller? Wann ziehen wir selber Konsequenzen – und die Wirtschaft? Machen wir einfach weiter, mit dem Gefühl im Hinterkopf, sich auf irgendeine Weise schützen und bewaffnen zu müssen?Instinktiv wissen wir, dass wir so unsere Enkel und die friedliche Zukunft auf diesem Planeten verraten. Wie werden wir in zehn Jahren über unsere Realitätsverweigerung denken?Als Christin glaube ich an die Auferstehung – dass Unmögliches möglich werden kann, wenn Menschen einzeln und gemeinsam bereit werden zur Veränderung. Wer mag, lese nach beim Propheten Jeremia 8, 4 – 7, «Der Storch unter dem Himmel kennt seine Zeiten, aber mein Volk . . .». Ich glaube weiterhin: Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.Silke DohrmannPfarrerin in Widnau-Kriessern