08.09.2019

Vielfalt nicht als Bedrohung empfinden

Vereine erbringen eine grosse Leistung – auch insofern, als sie Integration ermöglichen. Sie vereinen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gut möglich, dass manche Christen gar nicht wissen, welches der wichtigste christliche Feiertag ist. – Natürlich Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Die Interreligiöse Dialog- und Aktionswoche, kurz ida, ermöglichte die Begegnung auch mit den anderen grossen Weltreligionen. Am Freitag kamen 15 Schulklassen auf Altstättens Rathausplatz, wo sich in mehreren Zelten nicht nur kulturelle, sondern auch kulinarische Eigenheiten kennenlernen liessen. Der Grossteil der Kinder stammte aus Altstätten, der Rest aus Oberriet, eingeladen waren alle Schulen des oberen Rheintals.300 Kinder, also 50 mehr als letztes MalOK-Mitglied Guido Poznicek als Vertreter der Schulen zeigte sich erfreut. Mit 300 Schülern, die sehr aufmerksam bei der Sache gewesen seien, habe man 50 Kinder mehr begrüsst als letztes Mal und das quantitative Ziel erreicht. Die Mitwirkenden waren voll und ganz ausgelastet: Sechs Kenner ihrer Religion erzählten dreissig Mal während je zehn Minuten das Wichtigste. Im Rahmen eines kleinen Wettbewerbs ging es darum, herauszuhören, welcher Feiertag für welche Religion der wichtigste ist.Angesichts des in Altstätten rund 30-prozentigen Anteils jener Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, sind Integrationsbestrebungen umso wichtiger. Tennisclub, FC, Samariter, Jungwacht und Blauring sowie der Diogenes-Theaterverein haben am Wochenende spielerisch gezeigt, wie Integration geschehen kann. Interessant ist übrigens, wo die am Freitag anwesenden Kinder zur Welt kamen. Jedes hat seinen Geburtsort auf einer der zwei Karten (Schweiz und Welt) mit einer Nadel markiert. Und siehe da: Der weitaus grösste Teil kam in der Region zur Welt, kein einziges der 300 Kinder im Balkan bzw. in der Türkei.Vertrauen alsgrosse VoraussetzungStadtpräsident Ruedi Mattle erinnerte in seiner Begrüssungsrede an die St. Galler Erklärung für das Zusammenleben der Religionen und den interreligiösen Dialog. In der Einleitung heisst es: «Viele Angehörige nichtchristlicher Religionen sind Ausländerinnen und Ausländer. Das Zusammenleben in dieser Vielfalt ist nicht immer leicht. Viele empfinden es als Bedrohung.» Doch weshalb eigentlich fühlen sich viele von Vielfalt bedroht, fragte der Stadtpräsident. «Was bräuchte es, um dieses Gefühl der Bedrohung zu mindern, um die Angst vor der Vielfalt zu nehmen?» Studien zeigten, dass bei der ersten Begegnung zweier sich unbekannter Menschen nur zwei Fragen wichtig seien, sagte Mattle: Kann ich dieser Person vertrauen? Und: Kann ich sie respektieren? Erst wenn die Vertrauensfrage positiv beantwortet sei, frage man sich, ob einen auch die Person interessiere, ihr sozialer Status und ob man sie respektieren kann.Zerstörerische Kräfte am WerkMit Blick auf weltweite Politik erinnerte der Stadtpräsident daran, dass die Angst das eigentliche politische Programm von immer mehr politischen Führern und Parteien sei – unter dem Deckmantel von Patriotismus, Selbstbestimmung und dem Schutz der eigenen Interessen. Sie versuchten, der Gesellschaft «das Schmiermittel des positiven Zusammenlebens zu entziehen» und beabsichtigten, Unsicherheit zu schaffen, den gegenseitigen Respekt zu mindern, das Vertrauen zu vernichten und so die Gesellschaft zu entzweien, um daraus politisches und ökonomisches Kapital zu schlagen.Die ida, sagte Mattle,wirke dem unheilvollen Trend entgegen, führe Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur oder Religion zusammen und zeige, dass Vielfalt keine Bedrohung darstellen muss. Der Anlass schaffe Vertrauen, fördere gegenseitigen Respekt und stärke so die Gesellschaft als Ganzes.HinweisDas Referat von Stadtpräsident Ruedi Mattle ist vollständig auf rheintaler.ch zu finden unter dem Titel «Mattles Referat: Die Gesellschaft stärken».