19.05.2022

Waffenhändler Christoph Büchel im Interview: «Junge Leute schiessen heute öfter»

Von Januar bis März wurden im Kanton St. Gallen im Vergleich zur Vorjahresperiode 60 Prozent mehr Waffenerwerbsscheine ausgestellt. Christof Büchel, Inhaber der Büchel Waffen und Outdoor GmbH in Altstätten, erklärt, weshalb sich in der Branche derzeit  viel bewegt.

Von Interview: Reto Wälter
aktualisiert am 02.11.2022
Christof Büchel, spüren Sie eine gestiegene Nachfrage nach Waffen?Christof Büchel:Definitiv. Zudem kommen viele Leute, die wissen wollen, ob sie einen Waffenerwerbsschein brauchen und wie sie ihn erlangen können.Hat die Entwicklung mit dem gesteigerten Bedürfnis nach Sicherheit zu tun, bedingt durch den Ukraine-Krieg, der gefühlt in unmittelbarer Nachbarschaft tobt? Nein, zumindest kann man die höhere Nachfrage nach Waffenerwerbsscheinen im ersten Quartal 2022 nicht darauf zurückführen. Das Verfahren vom Antrag bis zum Erhalt eines Waffenerwerbsscheins dauert eine Zeit und ist unter anderem mit einem Gespräch auf einem lokalen Polizeiposten verbunden. Die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf einen all­fälligen Anstieg von Waffener­werbsscheinen würden sich zahlenmässig frühestens Mitte Jahr niederschlagen. Im Laden ist dieser Krieg zudem kein Thema, zumindest nicht im Zusammenhang mit dem Bedürfnis, eine Waffe zu kaufen.Die Anträge auf Waffenerwerbsscheine steigen seit Jahren. Was sind denn die Gründe für den sprunghaften Anstieg in diesem Jahr? Bis Mitte August müssen halbautomatische Waffen und Pistolen mit einer hohen Magazin­kapazität, das heisst mehr als 20 Schuss, nachgemeldet werden (siehe Zweittext). Viele Waffenbesitzer machen dies nun über den Fachhandel. Für einen Teil braucht es einen Waffener­werbsschein – also für Waffen, die bereits in Privatbesitz sind. Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Waffenerwerbsscheine ein, die für Waffen beantragt werden, die bereits im Privatbesitz sind? Es sind etwa 20 Prozent. Die Registrationspflicht führt aber allgemein zu viel Dynamik. Jede Woche kommen Leute vorbei, die Waffen jahrelang irgendwo herumstehen hatten. Oft Waffen, die in der Familie weitergegeben wurden. Nun wollen sie wissen, wie sie damit umgehen müssen. Die Pandemie hat diesen Prozess verstärkt. Wieso hat Corona die Dynamik im Waffenhandel erhöht? Während der Lockdowns hatten die Leute Zeit, aufzuräumen. Sie nahmen sich Sammlungen an, die sie beispielsweise aufgrund einer Erbschaft erhalten haben. Oft wollen sie meine Einschätzung zum Wert der Waffen. Manchmal wollen sie, dass ich die Waffen gleich übernehme. Viele geben ihre Waffen auch einfach beim Waffenbüro des Kantons ab. Es werden also nicht nur mehr Waffen gekauft, sondern auch viele abgegeben und damit aus dem Verkehr gezogen.Die Registrationspflicht für Halbautomaten erklärt aber nur einen Teil der gestiegenen Nachfrage nach Waffenerwerbsscheinen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass für das sportliche Schiessen auf den Schützenständen der Vereine seit Januar andere Regeln gelten. Früher wurde auf 25, 50 und 300 Meter fast nur mit Ordonnanzwaffen geschossen, also solchen, die bei der Armee und der Polizei zum Einsatz kamen. Bei den alten Parametern hatten Waffen von SIG Sauer praktisch eine Monopolstellung. Nun steht eine viel grössere Palette an Marken und Waffen zur Verfügung. Das ist für neue Schützen interessant, aber auch für solche, die das Hobby seit Jahren pflegen. Auch hier glaube ich, dass Corona einen zusätzlichen Schub gebracht hat.  Inwiefern? Es gibt einen Nachholbedarf und es wird mehr konsumiert. Einerseits scheint mehr Geld vorhanden zu sein, weil Ferien und andere Freizeitbeschäftigungen nicht durchgeführt werden konnten, andererseits besinnt man sich wieder mehr auf Aktivitäten in der Natur, in der Nähe, aber auch mit Familie und Freunden. Der Absatz im Outdoor-Bereich mit hochwertiger Bekleidung und Ausrüstung stieg massiv – auch Feldstecher und Fernrohre gehen gern über den Ladentisch.Die Leute organisieren sich also lokaler? Ja. Und sie organisieren sich im familiären Umfeld. Der Grossvater, der mit seinem Enkel ein Luftgewehr ersteht oder das Paar, das den Schiesssport zusammen als Hobby betreibt. Überhaupt nahm in den letzten Jahren die Zahl der Frauen zu, die sich für den Schiesssport begeistern, auch in jüngeren Generationen. Das gilt ebenfalls für die Jagd. Viele junge Leute machen ihr Brevet. Dafür müssen sie natürlich regelmässig mit dem Gewehr üben: Heut­zutage verlangt das Jagdgesetz mehr Fertigkeiten als früher. Die neuen Schiesskeller in Schaan und St. Gallen laufen auf jeden Fall gut und dürften auch mit der gesteigerten Nachfrage nach Waffenerwerbsscheinen zu tun haben. Schiessen, und alles, was damit zusammenhängt, ist also eine Freizeitbeschäftigung, die im Trend liegt? Die Aufwärtstendenz gibt es schon seit vier, fünf Jahren. Corona hat diesen Trend befeuert. Ein weiteres Beispiel dafür ist, dass auch Sammlerstücke immer stärker gefragt sind, darunter fallen auch historische Waffen mit Baujahr vor 1875. Ganze Kollektionen werden erstanden. Ich glaube, Käuferinnen und Käufer verstehen dies immer mehr auch als Geldanlage. In diesem Punkt hat der Trend vielleicht schon mit der unsicheren Lage zu tun, in der sich die Welt seit Ausbruch der Coronapandemie befindet.  Nicht in die Illegalität abrutschenBis zum 14. August 2022 müssen folgende Waffen im Privatbesitz nachgemeldet werden, sofern sie noch nicht registriert sind: zu halbautomatischen Feuerwaffen umgebaute Seriefeuerwaffen (z. B. Stgw 57 und 90); halbautomatische Gewehre, die oh­ne Hilfsmittel auf eine Länge unter 60 cm gekürzt werden können und immer noch schiessen; halbautomatische Zentralfeuerwaffen (bei Gewehren, sofern sie ein passendes Magazin über zehn und bei Pistolen über 20 Schuss haben). Wer solche nicht registrierten Waffen besitzt, macht sich ab Mitte August strafbar. Halbautomatik bedeutet, dass die Waffe nur einmal durchgeladen werden muss und danach einen Schuss nach dem anderen abgeben kann.Je nach Kategorie der Waffe ist beim Kauf ein Waffener­werbsschein nötig, der für jeweils drei Waffen gilt. Für weitere drei braucht es einen weiteren Schein. Die Gültigkeit für den Waffenkauf beträgt sechs Monate. Bei einem Verkauf wird jede Waffe registriert, selbst wenn diese aus der Zeit vor 1989 stammt, in der sie noch nicht erfasst worden ist. Diese Registrationspflicht gilt auch für Verkäufe unter Privatpersonen. Die einzige Ausnahme bilden Luftgewehre. Aber selbst bei diesen wird von den Waffengeschäften der Kaufvertrag zurückbehalten. (rew)