Christlich 05.11.2023

Wer Wasser predigt und es auch trinkt, ist ein Vorbild der Glaubwürdigkeit

Von Stefan Kiesewetter,
Pastoralassistent
aktualisiert am 05.11.2023

«Wasser predigen und Wein trinken!» Dieses Sprichwort – ursprünglich vom deutschen Schriftsteller Heinrich Heine – wird oft benutzt, um eine falsche, oberflächliche und gespielte Bescheidenheit zu beschreiben, obwohl das Gegenteil, meist im Geheimen oder fernab von den Kameras der Journalisten, gelebt wird.

Dieses Zitat wird gebraucht, um Politiker und andere Verantwortungsträger zu kritisieren, die von ihren Mitmenschen viel abverlangen, aber sich selbst nicht daranhalten.

Wie gross ist jedes Mal das Entsetzen, wenn Personen des öffentlichen Lebens sich bereichern oder das Vertrauen der Allgemeinheit ausnutzen.

In ähnlicher Weise spricht Jesus über die damals in Israel herrschende Kaste und kritisiert sie:

Sie schnüren schwere Lasten zusammen […] wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen.

Beide Zitate regen zum Nachdenken an, denn sie treffen einen empfindlichen Nerv der Zeit und halten der Gesellschaft den Spiegel vor: Aussagen und Lebensweise müssen sich decken, ansonsten wirkt man unglaubwürdig. Dies gilt nicht nur für die Verantwortungsträger, sondern zieht weite Kreise bis zu jedem Einzelnen.

Authentische Menschen, die nicht nur für ihre Überzeugungen einstehen, sondern sie auch vorleben, davon ganz und gar überzeugt sind, können zu grossen Vorbildern werden. Ihnen geht es nicht mehr um Ruhm und Ansehen; vielmehr steht die eigene Überzeugung im Vordergrund.

Dies ist der Schlüssel zur Glaubwürdigkeit in allen Bereichen unseres Lebens.

Bedenkt man dies, so verändert sich das Bild des Verant­wortungsträgers: Man wird zu einem Diener der Botschaft, dem man diese auch glaubt und von der man überzeugt ist.

Dies betrifft nicht nur welt­liche Angelegenheit, wie etwa den Einsatz für die Erhaltung der Natur, für die Menschenrechte, etc., sondern auch religiöse Begebenheiten – glaubwürdige und authentische Zeugen der Botschaft Jesu zu sein.

Frauenrechtlerin und unbequemer Zeitgeist

Ein Beispiel ist Dorothy Day, die am 8. November ihren 126. Geburtstag feiern würde. Sie war eine kritische Journalistin, Mitglied der kommunistischen Partei in den USA, Frauenrechtlerin und unbequemer Zeitgeist, die die Ungerechtigkeiten schonungslos ansprach.

Obwohl sie als politisch linksgesinnt galt, war sie Zeit ihres Lebens fasziniert von den Biografien der Heiligen, die sich für die Armen und Ausgestossenen engagierten. Diese Faszination war so gross, dass sie ihre Tochter taufen liess; sie selbst erhielt die Taufe im Alter von 30 Jahren.

Das Geheimnis an Dorothy Day ist ihre Fähigkeit, ihre radikal soziale Haltung mit dem Glauben zu verbinden, keine Kompromisse einzugehen und glaubwürdig in allen Lebenslagen zu sein.

Was für ein Vorbild!