Altenrhein vor 6 Stunden

Wie das Sparpaket den Regional-Flugplatz bedroht und was jetzt auf dem Spiel steht

Der Flugplatz Altenrhein steht vor einer ungewissen Zukunft: Sparpläne des Bundes und ein festgefahrener Staatsvertrag mit Österreich gefährden Betrieb und Arbeitsplätze.

Von Jochen Tempelmann
aktualisiert vor 6 Stunden

Grosser Bahnhof am Flugplatz Altenrhein: Am Dienstag hat sich die Parlamentarische Gruppe Luft- und Raumfahrt des St. Galler Kantonsrats erstmals zum Austausch getroffen. Im Saal des Fliegermuseums in Altenrhein trafen Grössen aus der Politik auf Fachleute aus der Aviatik und tauschten sich über anstehende Herausforderungen aus. Und die sind gross: Die gescheiterten Verhandlungen zum Staatsvertrag und vor allem das geplante Sparpaket des Bundes bedrohen den Flugplatz in seiner Existenz.

Beim Branchentreffen waren alle von der Wichtigkeit des Flugplatzes überzeugt gewesen. SVP-Kantonsrat und Berufspilot Philipp Köppel, der die parlamentarische Gruppe vor einem halben Jahr ins Leben gerufen hat, eröffnete vor rund 90 Anwesenden den Anlass. Dabei geizte er nicht mit lobenden Worten: Der Flughafen sei ein «wirtschaftliches Juwel» und eine «Schlüsselinfrastruktur».

Flughafen-CEO hat grosse Sorgen

Dass all das in Gefahr ist, führte Flughafen-CEO Thomas Krutzler aus: «Dunkle Wolken» zögen am Himmel auf – in Form des Entlastungspakets 27 des Bundes. Die Sparrunde sieht vor, dass den Regionalflugplätzen die Subventionen für die Flugsicherung entzogen werden. Der Flugplatz muss Skyguide, die den Flugbetrieb vor Ort regelt, jährlich 3,5 bis 5 Millionen Franken zahlen.

Müsste er dies aus eigener Tasche zahlen, bedeute dies das Ende des Betriebs in seiner heutigen Form, so Krutzler. Entsprechend gross seien die Sorgen der Flugplatz-Mitarbeitenden und der ansässigen Betriebe, sagte Krutzler. Einerseits sei es fürs Personal herausfordernd, vor diesem Hintergrund motiviert zu bleiben. Andererseits habe der Flugplatz schon jetzt Massnahmen ergreifen müssen: So wurde etwa die Sanierung der Piste vor dem Hintergrund des möglichen finanziellen Einschnitts sistiert.

Sparpaket würde Staatsvertrag verletzen

Es scheint, als sei die parlamentarische Gruppe zum richtigen Zeitpunkt entstanden. Denn die Sparrunde des Bundes ist nicht die einzige Sorge in Altenrhein: Die Regeln für den Betrieb des Flugplatzes in unmittelbarer Grenznähe sind in einem Staatsvertrag festgehalten. Dieser stammt aus dem Jahr 1991 und entspricht nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Doch eine Neuaushandlung war 2023 am Widerstand der Gemeinden in Vorarlberg gescheitert.

Was das bedeutet, führte Roland Müller, emeritierter HSG-Professor und Experte für Luftrecht, aus: Einerseits seien die Regeln zum Lärmpegel und zu den Betriebszeiten aus Schweizer Perspektive nicht mehr zeitgemäss. Andererseits hätten Helikopterflüge in den letzten 30 Jahren enorm zugenommen – ein Ärgernis für die Vorarlberger Gemeinden, das der Vertrag nicht regelt.

Insbesondere sei der Staatsvertrag aber relevant für die aktuelle Spardiskussion. Denn schon im Vorwort ist festgehalten: Der Staatsvertrag existiere «im Hinblick auf das Bestreben der Republik Österreich, eine regelmässige Flugverbindung von Altenrhein nach Wien einzurichten und aufrechtzuerhalten». Sollte der Flugplatz künftig keine Flugsicherung mehr finanzieren können, wäre dies das Ende des Linienflugs nach Wien – und die Schweiz, so Müller, werde folglich vertragsbrüchig und entschädigungspflichtig. Die Höhe der Entschädigung hält der Vertrag allerdings nicht fest.

Landesstatthalter zeigt Gesprächsbereitschaft

Es folgten weitere Referate zu weiteren Themen: wie viel schneller das Flugzeug in Wien ist als der Zug und dass auch die Raumfahrt Bestandteil der Ostschweizer Wirtschaft ist. HSG-Dozent Andreas Wittmer präsentierte eine noch nicht veröffentlichte Studie, die sein Team im Auftrag des Flugplatzes verfasst hat. Demnach hängen am Flugplatz rund 85 Millionen Franken Wertschöpfung und 540 Arbeitsplätze in der Region beidseits des Rheins.

Besonders beschäftigten aber Sparpaket und Staatsvertrag. In der abschliessenden Diskussion sprach Philipp Köppel die anwesenden Politikerinnen und Politiker direkt an. Allen voran den neuen Vorarlberger Landesstatthalter Christof Bitschi. Er signalisierte Bereitschaft, den Staatsvertrag neu zu verhandeln: Der Austausch mit der St. Galler Regierung laufe hervorragend. Er wolle die Gespräche mit den Gemeinden wieder aufnehmen, das Thema Lärm sei «hochsensibel». Einer finanziellen Unterstützung aus Vorarlberg für Altenrhein erteilte er hingegen eine Absage.

Anschliessend spielte Köppel den Ball Ständerätin Esther Friedli zu. Sie sagte, sie bringe sich gemeinsam mit St. Galler Kolleginnen und Kollegen aus Stände- und Nationalrat in der Sparpaket-Diskussion im Sinne des Kantons und des Flugplatzes ein:

Jetzt beginnt der Verteilkampf: Wo sparen wir und wo nicht?

Sie spüre in der Ostschweiz eine grosse Solidarität mit dem Flugplatz, sagte Friedli und setzte die Kürzung in den Kontext des Sparvolumens: «Die Einsparung bei den Regionalflugplätzen beträgt 25 Millionen Franken auf ein Sparpaket von drei Milliarden.» Die Auswirkungen seien hingegen existenzbedrohend.

Jetzt wolle sie das Argument, dass die Schweiz womöglich vertragsbrüchig würde, nach Bundesbern tragen. Initiant Philipp Köppel zeigte sich am Ende des Abends überwältigt:

Es ist beeindruckend, wie viele Köpfe aus Politik und Wirtschaft anwesend waren.

Wer hingegen weitgehend fehlte, waren Politikerinnen und Politiker aus dem links-grünen Lager – und die Debatte um den Klimawandel, die in der emissionsreichen Luftfahrt sonst sehr präsent ist. Aber: «Auch die Gegenseite braucht es», sagte Köppel – sofern sie den Dialog der Ideologie vorziehe.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.