15.08.2018

Wohnungsmarkt ist noch intakt

Bei Mietwohnungen zeichnet sich die Gefahr eines Überangebots ab. Eigentumswohnungen hingegen sind nach wie vor gefragt – Attikawohnungen sowieso.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie Zinsen für Hypothekarkredite sind historisch tief geblieben. Geld lässt sich im Wohnungsmarkt also gut anlegen, wovon gerade auch Pensionskassen fleissig Gebrauch machen; ebenbürtige Anlagealternativen haben sie kaum, solange keine Zinsbewegung nach oben einsetzt.Im Mittelrheintal, aber nicht nur hier, lässt sich der Eindruck gewinnen, es würden mehr Wohnungen gebaut als nötig. Tatsächlich sinke aber (gemäss einer Erhebung von Fahrländer Partner) die Zahl der inserierten Angebote für klassische Mietwohnungen, sagt Daniel Romer.Das Geschäftsleitungsmitglied der Widnauer Firma Cristuzzi Immobilien erkennt über alle Angebote gesehen noch kein Ungleichgewicht des Marktes. Dennoch sieht er die Gefahr eines «Überangebots bei Mietwohnungen».Eine aktuelle Auswertung der eingereichten Baubewilligungen lasse für das Mittelrheintal rund 450 zusätzliche Neubauwohnungen in den nächsten drei bis fünf Jahren erwarten.Für Bauprojekte ist viel mehr Zeit nötigDie Tendenz zu einem Überangebot bei klassischen Mietwohnungen sieht auch Matthias Hutter. Der Geschäftsführer der Diepoldsauer Sonnenbau-Gruppe rechnet mit einem anhaltenden Wettbewerbsdruck in den nächsten Monaten und sogar einem gewissen Verdrängungskampf.Aus Sicht des Anbieters sei es ratsam, sich von der Konkurrenz abzuheben, etwa durch einen besonderen Ausbaustandard, auch unter Einbezug von Digitaltechnik.Erschwerend sei die bei Neubauten deutlich aufwendiger gewordene Planung. Bis ein Projekt verwirklicht sei, vergingen nicht mehr ein bis zwei Jahre, wie vor zwei Jahrzehnten, sondern eher drei bis vier.Projektentwickler seien deshalb stark gefordert, indem sie Marktveränderungen sehr früh erkennen müssten, sagt Hutter.Viele Wohnungen sehr schnell vermietetDass ein Verdrängungskampf einsetzen wird, kann sich auch Roger Stieger vorstellen. Der Chef der Altstätter RT Immobilien Treuhand AG erkennt einen Wandel vom Anbieter- zum Nachfragermarkt und verbindet diese Beobachtung mit dem Satz, er sei ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits erschwere die Tendenz das eigene Wirken, anderseits sei ein gewisses Überangebot ja zu begrüssen, weil Interessenten so eine grössere Auswahlmöglichkeit hätten und andererseits auch die Qualität der angebotenen Objekte eher besser sei.Ein Beispiel für beachtlichen Erfolg ist die neu entstandene Grossüberbauung in unmittelbarer Nähe des Altstätter Schöntal-Schulhauses. Für 77 der insgesamt 83 Mietwohnungen hat Stiegers Unternehmen innerhalb eines Jahres einen Erstmieter gefunden.Die ebenfalls (aber nicht von Stieger) angebotenen Eigentumswohnungen sind praktisch allesamt weg. Die anhaltende Nachfrage nach Eigentumswohnungen führt Roger Stieger zum Teil auf den demografischen Wandel zurück. Viele Hauseigentümer, die in die Jahre kämen, tauschten ihr Zuhause gegen altersgerechtes Wohneigentum.Daniel Romer sagt ebenfalls, das Angebot an Neubau-Eigentumswohnungen «scheint gut mit der Nachfrage übereinzustimmen». Weniger treffe dies bei Wohnungen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren zu. Die Preisvorstellungen von Anbietern und Interessenten lägen bei jenen Objekten oft weit auseinander, die Lage spiele hier eine besonders wichtige Rolle.Dreiviertel Million für EigentumswohnungDie Frage nach den Preisen führt zu einer Aussage, die als Zusammenfassung die Ausführungen aller drei befragten Experten wiedergibt. Es geht ums Beispiel einer Eigentumswohnung mit 130 Quadratmetern, viereinhalb Zimmern sowie einem Balkon. Wer als Interessent für ein Objekt an durchschnittlicher Lage mit durchschnittlichem Ausbaustandard im mittleren Rheintal von 750000 Franken ausgeht, dürfte mit dieser Annahme dem zu bezahlenden Preis recht nahe sein.Bei Eigentumswohnungen mit 200 und mehr Quadratmetern handle es sich meist um Attikawohnungen, sagt Matthias Hutter. Diese seien preislich mit Einfamilienhäusern vergleichbar. Das heisst, sie kosteten tendenziell eine Million Franken oder mehr. Hutter sagt, Attikawohnungen seien sehr gesucht.Kaum noch Land verfügbarWer ein Einfamilienhaus einer Wohnung vorzieht und selbst bauen möchte, dürfte es schwer haben, ein Grundstück zu finden. Matthias Hutter sagt, Boden sei noch weniger verfügbar als Mitte der Neunzigerjahre, als die Bodenpreise ungefähr dem heutigen Niveau entsprachen.Fürs Mittelrheintal gibt Daniel Romer die Bandbreite von 700 bis 900 Franken für einen Quadratmeter an, wie Hutter sieht auch er eine Tendenz in Richtung tausend Franken.Im Einzelfall dürfte diese «magische Grenze» auch schon erreicht worden sein.Generell hängt der Preis stark von der Lage (Gemeinde, Quartier) und von der Art (Bebaubarkeit) der Parzelle ab.Bei einer durchschnittlichen Grundstücksfläche von 450 bis 500 Quadratmeter für ein Einfamilienhaus ist jedenfalls mit einem Grundstückpreis in der Grössenordnung von 400000 Franken zu rechnen.21Nicht ganz neue Häuser sind günstiger zu habenAlternative Angesichts der hohen Bodenpreise und des Mangels an verfügbarem Boden gehen Immobilienfachleute davon aus, dass gerade Familien ihr Augenmerk in Zukunft vermehrt auf Bestehendes richten. Ein etwas älteres Haus kann eine gute Alternative zu neuem Wohneigentum sein, sofern eine gewisse Bausubstanz vorhanden und der Kaufpreis angemessen ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach dem Kauf Sanierungsmassnahmen nötig sein können, durch die das eben erst gekaufte Eigenheim natürlich teurer würde. Zudem ist zu beachten, dass es nur Sinn ergibt, Wohneigentum zu erwerben, das einem auch wirklich gefällt. Zum Beispiel ein bestehendes Haus zu kaufen und dann Küche und Bad von Grund auf zu erneuern, kann den Spareffekt ganz oder teilweise zunichtemachen. (gb)