Kirche 14.12.2022

Dickes Gesangbuch vor dem Aus – der Kirchengesang soll digital werden

Das seit 1998 genutzte katholische Kirchengesangbuch soll schlanker und durch digitale Angebote ergänzt werden.

Von pd
aktualisiert am 14.12.2022

Das in katholischen Gottesdiensten genutzte, blaue Kirchengesangbuch hat seine besten Jahre hinter sich. Jetzt soll es durch ein komplett neues Angebot ersetzt werden: Nebst einem schlankeren Buch sollen Pfarreien künftig ihr Wunsch-Liederrepertoire individuell auf einer Plattform digital zusammenstellen können. Auch eine App für Gottesdienstbesuchende ist angedacht. Sandra Rupp Fischer sagt über das Kirchengesangbuch:

Man hat es einfach, schaut aber nicht mehr speziell hin.

Die 51-jährige Kulturmanagerin, Schulleiterin und Kirchenmusikerin, die noch bis Ende Jahr auch für das Liturgische Institut in Freiburg arbeitet, leitet zusammen mit Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln die Arbeitsgruppe, die sich mit einem neuen Kirchengesangbuch für die Deutschschweiz befasst. Wobei der Begriff Kirchengesangbuch missverständlich sei, wie sie festhält: «Wir wollen ein viel breiteres Angebot einführen.»

Grünes Licht für die multimediale Stossrichtung

Demnach ist vorgesehen, bis 2027 nebst einem schlankeren Kirchengesangbuch eine digitale Plattform mit einem Printshop aufzubauen. Komplett neue, ergänzende Lieder und bisherige, die im überarbeiteten Kirchengesangbuch keinen Platz mehr haben, will man über diese Plattform zum Download anbieten. Pfarreien sollen hier ihre Wunschlieder aussuchen und individualisierte Anhänge generieren können.

Auch digitale Arbeitstools zur Gottesdienstvorbereitung sind gemäss Projektleiterin Sandra Rupp Fischer geplant. Alle an einer Feier Mitwirkenden hätten sodann Zugriff zu einem entsprechenden Onlineformular und könnten gemeinsam am Gottesdienstprogramm arbeiten. Schliesslich könnte man mittels eines Filtersystems den Ablauf des Gottesdienstes den Mitfeiernden über eine App zur Verfügung stellen.

Sabine Rupp Fischer: «Wir wollen ein viel breiteres Angebot einführen.»
Sabine Rupp Fischer: «Wir wollen ein viel breiteres Angebot einführen.»
Bild: pd

«In der App sollen die Anwesenden dann ihren besuchten Gottesdienst anklicken können, und sie sehen dabei zum Beispiel den Gottesdienstablauf oder die Lieder», fasst Rupp Fischer die Vision zusammen. Möglich wäre ebenso, dass die Pfarreien die Lieder stattdessen an eine Wand beamen.

Vor Kurzem hat die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz (DOK) der Arbeitsgruppe grünes Licht gegeben, an der beabsichtigten Stossrichtung mit dem Produktemix aus Print, Web und App weiterzuarbeiten. Damit würden Erneuerungen und Entwicklungen von pastoralen Bedürfnissen durch die Möglichkeiten der Digitalisierung aufgenommen, heisst es im Zwischenbericht. Sandra Rupp Fischer sagt: «Mit dem Projekt können wir zeigen, dass wir die Kirche nicht aufgeben, dass wir die erschwerten Bedingungen ernst nehmen und daher neue Produkte konzipieren, und dass wir auf die Kraft unserer Gottesdienste setzen.»

Die Frage wird sein, ob sich das Projekt im geplanten Umfang finanzieren lässt. Mittels umfassender Informationen im kommenden Jahr gegenüber den kantonalkirchlichen Organisationen hofft man auf verbindliche finanzielle Zusagen. Sandra Rupp Fischer sagt, dass gemäss erster Hochrechnung dereinst über Verkäufe der neuen Produkte 70 bis 75 Prozent der Ausgaben wieder eingenommen werden können.

«Zukunftsgerichtet und hybrid»

Beim katholischen Konfessionsteil des Kantons St. Gallen ist man bereits heute von den Plänen überzeugt. Der Prozess sei zukunftsgerichtet und das neue, hybride Produkt werde das kirchliche Zusammenleben sowie das kraftvolle Gottesdienstfeiern in herausfordernden Zeiten stärken, heisst es seitens des Administrationsrats. In verschiedenen Kommissionen werden die Ideen in den nächsten Monaten verfeinert – eine, die Redaktionsgruppe, widmet sich dem Inhalt der Lieder.

Ein Gloria, Credo oder Sanctus dürften dabei kaum gross umgeschrieben werden. Gemäss Sandra Rupp Fischer gibt es aber viele Lieder mit poetischen Texten, die Bezug zu einem Psalm oder Bibeltext haben. An diesen könne man durchaus sprachlich arbeiten.

Auch soll das Repertoire dem Umstand gerecht werden, dass sie von kleineren Gemeinschaften gut gesungen werden können. Die Projektleiterin sagt:

Bei bekannten Liedern wie ‹Stille Nacht›, an dem die Menschen hängen, werden wir aber bestimmt kein Erdbeben verursachen.

Sie weist zudem auf die Möglichkeit hin, dass man die erwähnte Digitalplattform künftig auch mit Audiodateien bestücken könnte, sodass die Menschen die Lieder zu Hause üben können.