Widnau 22.11.2022

Die Digitalisierung wird rasant weitergehen, wir müssen sie kritisch hinterfragen

Am achten Widnauer Wirtschaftsapéro der politischen Gemeinde referierte Sebastian Wörwag zum Thema «Wird alles digitalisiert, wenn alles digitalisiert werden kann?». Er zeigte in zehn Punkten auf, worauf geachtet werden sollte. Die Digitalisierung hat gute und schlechte Seiten, wichtig ist aber, dass wir sie steuern.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 22.11.2022

«Haben wir überhaupt noch eine Möglichkeit zu steuern, was das Internet anhand der über uns gesammelten Daten präsentiert?», fragte ein Besucher am Montagabend im «Metropol»-Saal am w’éco-apéro, mit dem sich der Gemeinderat bei den ortsansässigen Firmen für die Treue zum Standort Widnau bedankte. Referent Professor Sebastian Wörwag, Rektor der Berner Fachhochschule, der seine eigene Forschungstätigkeit schon seit Jahren der Veränderung der Arbeitswelt widmet, sagte:

Wir stecken schon ganz tief drin und können uns einem personalisierten Angebot kaum mehr entziehen.

«Eigentlich hätten wir uns mit den Fragen über diese Steuerung schon lange vorher auseinandersetzen sollen.»

Gast Gabor Eder sagte: «Es wurde immer stiller im Saal, als aufgezeigt wurde, wie stark wir schon abhängig sind und wohin die Digitalisierung wohl steuert.»

 

 

Gabor Eder
Gabor Eder

Sebastian Wörwag zeigte in seinem Referat eindrücklich auf, dass die Digitalisierung rasant fortschreiten werde. Wichtig dabei ist, dass wir diesen Prozess kritisch begleiten und hinterfragen. «Es ist wichtig, dass man in seinem Alltag auch bewusst Gegensteuer gibt, sich nicht  von den digitalen Medien lenken lässt», meinte Gast Alex Pfister.

Alex Pfister
Alex Pfister

 

Referent Wörwag gab den Teilnehmenden die zehn Gebote der humanen digitalen Transformation mit auf den Weg:

1.) Experimentiere und frage nach dem Mehrwert. Diese Frage sei in der Vergangenheit viel zu wenig gestellt worden, sag­te Sebastian Wörwag.

2.) För­dere die digitale Mündigkeit. Etwa was Profile anbelangt, wo man Daten preisgibt, wie viel Zeit man im Internet verbringt.

3.) Nutze die digitale Automation für produktive Räume. «Um Zeit zu gewinnen, um Platz für Produktivität, Kreativität und menschliche Kontakte zu schaffen», erläuterte der Professor.

4.) Formuliere eine bewusste Digitalisierungsstrategie. Wörwag sagte, dass sie in Forschungsarbeiten herausgefunden hätten, dass nur 30 Prozent der Unternehmen wirklich eine Strategie hätten. «Wichtig ist zudem diese transparent zu machen, damit sie jeder nachvollziehen und auch hinterfragen kann.»

5.) Schaffe ein offenes Digitalisierungsklima und rede mit echten Menschen. Sebastian Wörwag dazu: «Damit wird Vertrauen geschafft. Vor allem, wenn auch Führungskräfte zugeben, womit sie selber Mühe haben.»

6.) Lasse die Technik nie den Zweck bestimmen. Es geht um die Menschen, um Kunden, um Mitarbeiter.

7.) Werde nicht immer schneller, sondern besser. Das diene letztlich auch der Wertschöpfung in einem Betrieb, sagte Sebastian Wörwag.

8.) Lass dir vom Algorithmus nie das Recht auf Ausnahmen nehmen. Algorithmen könnten nur reflektieren und optimieren. «Instinkt ist eine sehr wichtige Eigenschaft, die oft auch zu den besten Ergebnissen führt», sagte der Referent.

9.) Schalte nie den eigenen Verstand aus. «Selber denken ist zwar anstrengend, aber zu hinterfragen, was Zahlen und Statistiken wirklich aussagen, bringt neue Erkenntnisse», sagte Wörwag.

10.) Sei nicht nur «always on», sondern auch «sometimes off». «Es ist nicht nur wichtig, dass man sich digitale Auszeiten gönnt, sondern dies auch ohne das Gefühl macht, man verpasse was», sagte Sebastian Wörwag, der dies in Rorschacherberg umsetzt, wo er wohnt.

«Die Verantwortung nimmt niemand ab»

«Mündigkeit, Ethik im Sinne von was wird wie eingesetzt und Verantwortung, denn die nimmt uns niemand ab, sind Themen, mit denen wir uns bei fortlaufender Digitalisierung unbedingt auseinandersetzen müssen», sagte Christa Köppel in ihrem Schlusswort, als sie die Gäste zum Apéro riche bat, bei dem das Thema weiter diskutiert wurde.