Eine heftige Gewitterlinie zog am Donnerstag, 4. September, übers Land und brachte vor allem im Appenzeller Vorderland starken Hagel. In Heiden fielen fünflibergrosse Hagelkörner, die Fahrzeuge beschädigten und Obstbäume verwüsteten. Auch der Buchberg in Thal wurde vom Hagelsturm gestreift. «Hagel ist immer schlecht», sagt Winzer Roman Rutishauser nachdenklich, «doch drei Tage vor dem Start der Weinernte ist er besonders ärgerlich.» Gegen 80 Prozent seiner Reben sind zwar mit Hagelnetzen geschützt, doch bei den ungeschützten Reben sind einzelne Beeren aufgeplatzt.
Insbesondere bei roten Sorten empfiehlt sich bei Hagelschlag im Endstadium der Trauben eine rasche Verarbeitung. Aus diesem Grund hat Rutishauser das Team bereits vergangene Woche zusammengerufen, um beschädigte Pinot Noir-Trauben von den Stöcken zu holen. Der Buechberg in Thal war früher kein ausgesprochenes Hagelgebiet; nach August hat es nie Hagel gegeben, seit der Jahrtausendwende hat sich das massiv verändert.
Im Jahr 2002 beispielsweise verursachte Hagel einen beinahe 100-prozentigen Ernteausfall. Es gibt seit Jahren keinen «echten» Herbst mehr, sondern oft sommerliche Bedingungen, die bis weit in den Oktober hinein anhalten. Trauben entwickeln sich so schneller, was den Start der Wimmet nach vorne schiebt. Früher wurden die ersten Trauben in der Regel Ende September von den Rebstöcken geschnitten, seit einigen Jahren ist eine Weinernte bereits anfangs September keine Seltenheit mehr.
«Als ich am 4. September aus dem Fenster geschaut habe, dachte ich, bei den Trauben ohne Netz hat der Hagel alles heruntergeschlagen, doch beim Augenschein vor Ort haben sich die Schäden dann nicht so gravierend dargestellt», so Rutishauser, der direkt am Fusse des Buechbergs zu Hause ist. In Thal hätten sie Glück im Unglück gehabt, am Zürichsee oder am deutschen Bodenseeufer seien die Schäden viel grösser. Mit den bereits geernteten Pinot Noir-Trauben macht Rutishauser einen Weissherbst, einen hellen Roséwein, der aus roten Trauben hergestellt wird.
17-Stunden-Tage während der Wimmet sind normal
Im Mai und Juni sei den Rebstöcken die Trockenheit anzusehen gewesen, weshalb er sich über den Regen im Juli gefreut habe. Allerdings seien 250 Liter pro Quadratmeter innert zehn Tagen eine exorbitante Menge. Der August habe das Ganze dann mit vielen Sonnenstunden wieder wettgemacht. Überhaupt habe es über das ganze Rebjahr gesehen, ungewöhnlich viele Sonnenstunden gegeben.
Mit ein Grund, weshalb die Trauben unter den Netzen laut Rutishauser traumhaft aussehen. Der geschützte Pinot Noir beispielsweise bleibe noch zwei, drei Wochen hängen, bis er seine optimale Reife erlangt habe. Weisse Sorten werden in diesen Tagen in den Keller gebracht, wo sie verarbeitet werden. «Meine Augenringe werden täglich schwärzer», scherzt er mit dem Hinweis darauf, dass er nicht selten von sechs Uhr früh bis elf Uhr abends auf den Beinen sei. Der 41-Jährige sagt:
Wir erwarten einen qualitativ sehr guten Jahrgang. Mengenmässig dürfen wir auch zufrieden sein.
Auch das aktuelle Wetter spiele dabei mit: warme Tage und kühle Nächte. Durch den Wechsel kalt/warm würden die Fruchtaromen ausgebildet, was den Charakter der Weine entscheidend mitpräge. Wissenschaftlich erforscht sei dies zwar nicht, aber seine Erfahrungen würden dies Jahr für Jahr bestätigen. Bei schönem Wetter in der Natur sein, ab und zu eine süsse Beere in den Mund stecken und nach getaner Arbeit ein Glas Wein geniessen: So stellt man sich die Wimmet vor. Und, es ist tatsächlich so. Das Interesse, dabei zu sein, wächst von Jahr zu Jahr.
Aktuell helfen über 40 Frauen und Männer mit. Rutishauser sagt, er habe gar nicht alle berücksichtigen können, die im Weinberg mitanpacken wollten. «Wir bekommen jedes Jahr mehr Anfragen von Frauen und Männern, die beim Wimmet mithelfen möchten. Diesmal auch einige aus Zürich.»
Das Interesse, Trauben zu ernten, ist riesig
Sein Vater Christoph Rutishauser sagt, die Liste freiwilliger Helfer sei mittlerweile auf über 80 Personen angewachsen. «Die ältesten sind 80 Jahre alt. Deren Einsätze reduzieren wir auf einen halben Tag oder empfehlen einen Tag Pause zu machen», so Roman Rutishauser, der im Gault&Millau auch 2025 in die Liste der Top 150 Winzer der Schweiz aufgenommen wurde. Einige junge Helferinnen aus dem Dorf hätten Interesse gezeigt, auch unter dem Jahr im Weinberg mitzuhelfen. Das sei für das Weingut grossartig, nach solchen Arbeitskräften habe man lange gesucht.
Muskattrauben bereits im August erntereif
Noch früher, bereits im August und vor dem Hagel im September, hat die Weinlese bei der Ochsentorkel Weinbau AG in Thal begonnen. «Die Muscat Oliver-Trauben waren dieses Jahr sehr früh erntereif», sagt Winzer Tom Kobel. Die weisse Rebsorte hat ihren Ursprung in Ungarn und ist vor allem in Pannonhalma-Sokoróalja und im Süd-Balaton verbreitet. Im Ochsentorkel-Keller entsteht daraus der «Kristall», ein Weisswein mit intensivem Muskataroma und Süsse, gepaart mit spritziger Säure. Kobel spricht von einem sehr fruchtigen Jahr. An den Stöcken würden sehr grosse, kräftige Trauben hängen, die für die Weiterverarbeitung in den Fässern viel Potenzial hätten.
Sehr zufrieden ist auch Christian Herzog, wenn er auf seine Reben schaut. «Die Trauben sind wunderschön, ohne Schäden, einfach kerngesund. Wir dürfen uns auf gehaltvolle, fruchtige Weine freuen», so der Winzer vom gleichnamigen Weingut. Begonnen hat er die Wimmet vor einer Woche in Goldach, wo seit 1998 an der Untereggerstrasse auf einer Fläche von einer Hektare 5000 Rebstöcke mit Rivaner- und Gamarettrauben wachsen.
Neben Weisswein «Rivaner R» stellt er aus den Goldacher Trauben auch die alkoholfreie und bei der Kundschaft sehr beliebten Traubenschorle «Trubetau» her.
Hagel beschleunigt Wimmet: «Wir dürfen uns auf gehaltvolle, fruchtige Weine freuen»